Die Parlamentswahlen in Frankreich am 30. Juni 2024 haben nicht nur das politische Gleichgewicht des Landes beeinflusst, sondern auch die unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Positionen der Hauptakteure in den Vordergrund gerückt. Hier sind die wichtigsten wirtschaftspolitischen Positionen der großen Parteien und Koalitionen:
1. Rassemblement National (RN)
Die rechtsextreme Partei Rassemblement National unter Jordan Bardella verfolgt eine nationalistische Wirtschaftspolitik. Ihre Hauptpositionen sind:
- Stärkung der französischen Souveränität: Reduzierung der Abhängigkeit von europäischen und globalen Wirtschaftssystemen.
- Senkung der Lebenshaltungskosten: Maßnahmen zur Verringerung der Steuerbelastung für Familien und Unternehmen.
- Privatisierung öffentlicher Unternehmen: Förderung einer marktorientierten Wirtschaft durch Privatisierung staatlicher Betriebe.
- Wiedereinführung französischer Strompreise: Loslösung vom europäischen Strommarkt und Festsetzung eigener Energiepreise.
- Ablehnung des europäischen Grünen Deals: Unterstützung fossiler Brennstoffe und Ablehnung umfangreicher ökologischer Auflagen.
2. Far-left bis Mitte-Links Koalition (NFP)
Diese Koalition, bestehend aus extremen Linken, Sozialisten, Kommunisten und Grünen, setzt auf eine starke staatliche Intervention und soziale Gerechtigkeit:
- Starker Interventionsstaat: Erhöhung der staatlichen Ausgaben und Steuerung der Wirtschaft durch den Staat.
- Erhöhung der Steuern für Reiche: Einführung höherer Steuersätze für Wohlhabende und große Unternehmen zur Finanzierung sozialer Programme.
- Rückkehr zur Rente mit 60 Jahren: Wiedereinführung der früheren Rentenregelungen zur Unterstützung älterer Arbeitnehmer.
- Förderung erneuerbarer Energien: Massive Investitionen in grüne Technologien und nachhaltige Energien.
- Austritt aus dem europäischen Strommarkt: Schaffung eines öffentlichen Energiesektors und Unabhängigkeit von europäischen Energiepreisen.
3. Macrons Koalition (Ensemble)
Die zentristische Koalition um Präsident Emmanuel Macron vertritt eine gemischte Wirtschaftsstrategie mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung:
- Kontrollierter Liberalismus: Kombination aus marktorientierten Ansätzen und staatlichen Eingriffen in strategischen Sektoren.
- Gemischte und zielgerichtete Ansätze für strategische Sektoren: Unterstützung von Schlüsselindustrien und Förderung von Innovationen.
- Beibehaltung oder Verringerung der Steuerbelastung: Steuererleichterungen für Unternehmen zur Förderung von Investitionen und Wirtschaftswachstum.
- Förderung der Atomkraft: Investitionen in die Atomenergie als Brückentechnologie zur Erreichung der Klimaziele.
- Unterstützung der Ukraine und Erhöhung des europäischen Mindestlohns: Stärkung der europäischen Integration und Solidarität.
4. Konservative (Les Républicains, LR)
Die konservative Partei hat eine wirtschaftsfreundliche Agenda, die auf traditionelle Werte und marktwirtschaftliche Prinzipien setzt:
- Förderung des Unternehmertums: Reduzierung von Bürokratie und Steuern für kleine und mittlere Unternehmen.
- Senkung der Staatsausgaben: Maßnahmen zur Verringerung des Haushaltsdefizits durch Kürzungen im öffentlichen Sektor.
- Privatisierung und Deregulierung: Förderung des Privatsektors durch den Abbau staatlicher Regulierungen.
- Fokus auf nationale Industrie: Unterstützung traditioneller Industriezweige und Schutz vor ausländischer Konkurrenz.
Fazit
Im Kontext globaler Herausforderungen und der Politik in der EU ergeben sich folgende Aspekte:
- Globale Wettbewerbsfähigkeit und Handelspolitik: Die RN verfolgt eine nationalistische Wirtschaftspolitik, die auf Protektionismus und nationale Souveränität abzielt. Dies könnte Frankreichs Position im globalen Handel schwächen und zu Handelskonflikten führen. Im Gegensatz dazu setzt Macrons Koalition auf einen kontrollierten Liberalismus und die Integration in die globale Wirtschaft, was Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit stärken und die Zusammenarbeit innerhalb der EU fördern könnte.
- EU-Integration und Wirtschaftspolitik: Die linken Parteien (NFP) und Macrons Koalition (Ensemble) unterstützen eine stärkere wirtschaftliche Integration innerhalb der EU. Dies umfasst gemeinsame Initiativen zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Bekämpfung des Klimawandels. Diese Parteien sehen die EU als wichtigen Partner zur Bewältigung globaler wirtschaftlicher Herausforderungen. Die RN hingegen lehnt umfassende europäische Wirtschaftsvorschriften ab und setzt auf nationale Lösungen, was die Kooperation innerhalb der EU erschweren könnte.
- Nachhaltige Entwicklung und grüne Wirtschaft: Die linken Parteien setzen auf massive Investitionen in grüne Technologien und nachhaltige Innovationen. Dies steht im Einklang mit den globalen Zielen des Pariser Klimaabkommens und den EU-Initiativen wie dem Green Deal. Macrons Koalition fördert ebenfalls grüne Investitionen, kombiniert dies jedoch mit marktorientierten Ansätzen. Die konservativen Parteien und die RN fokussieren sich mehr auf wirtschaftliches Wachstum durch traditionelle Industrien und könnten weniger Wert auf nachhaltige Entwicklung legen.
- Soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Umverteilung: Die linken Parteien zielen auf eine stärkere Umverteilung von Reichtum und soziale Gerechtigkeit ab. Dies könnte Frankreichs Position als Vorreiter für soziale Gerechtigkeit innerhalb der EU stärken und zur Verringerung sozialer Ungleichheiten beitragen. Macrons Koalition versucht, eine Balance zwischen sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Effizienz zu finden. Die konservativen Parteien und die RN favorisieren eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik, die möglicherweise weniger Fokus auf Umverteilung und soziale Gerechtigkeit legt.
Lesen Sie mehr zur Wahl in Frankreich im nächsten Beitrag der Serie: DIE STEUERPOLITIK DER PARTEIEN NACH DEN WAHLEN IN FRANKREICH (FR-ELEC 3V5)
Published by